Freitag, 22. November 2013

4 Wheels & a Board

Gestern fand im Triebwerk in Wiener Neustadt ein Prescreening zum FRONTALE Filmfestival statt. Gezeigt wurde der Film "Skateistan". Der handelt von einer NGO, die in Afghanistan eine Art Skateboardschule betreibt - und das ziemlich erfolgreich. Was zuerst mit einem leeren Brunnen und ein paar Boards begann, wurde zu einer Skatehalle mit angeschlossener Schule, wo Afghanische Kinder, unabhängig von Geschlecht oder Ethnie die Möglichkeit haben, zu lernen und Sport zu betreiben.


Afghanistan wird heute meistens mit Krieg verbunden. 50% der Bevölkerung, etwa 15 Millionen Menschen, sind unter 16 Jahre alt. Die Afghanische Gesellschaft ist von Gewalt geprägt, was ein anwesender Afghane so beschreibt: "Die viel Gewalt, so viel Jahre Krieg, das macht den Kopf kaputt!".

Skateboarden ist der einzige Sport, den Mädchen in der Öffentlichkeit ausüben dürfen - der Film ist bedrückend und hoffnungsvoll zu gleich; und absolut sehenswert!

Das wunderbare an diesem Abend: 25 junge Menschen, unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge aus Neudörfl, kamen ins Triebwerk, um sich den Film anzusehen. Was diese Menschen hinter sich haben, um von Afghanistan nach Österreich zu kommen, ist unglaublich.



Hier angekommen, werden die Kids als "Ankerkinder" bezeichnet, und ihnen wird unterstellt, dass sie nur nach Österreich kommen, weil sie hier als Minderjährige bessere Chancen haben - und sobald ihr Asylantrag anerkannt ist, sofort ihre Familie nachholen. Dieser Mythos lässt sich ganz leicht durch Zahlen widerlegen:
Laut der Asylstatistik des Innenministerium kamen 2012 17.430 AsylwerberInnen nach Österreich, davon 4.005 aus Afghanistan. 969 Asylanträge von Afghanen wurden positiv erledigt, 1034 negativ - das entspricht 44% negativer Asylanträge (1). Da sind allerdings alle Altersgruppen eingeschlossen. Die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlinge beträgt 1574 (1781, minus 207 denen Volljährigkeit attestiert wurde) Personen. Die Annerkennungsquote liegt ja bei 42% - das wären dann 661 Personen. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl aller positiv erledigten Asylanträge wären das dann 16,5 %. Von einer gezielten Aktion, jugendliche AsylwerberInnen nach Österreich zu schicken, kann also keine Rede sein...
Es war eine unglaublich tolle Erfahrung, mit diesen jungen Menschen zwar sehr zögerlich, aber doch, zu diskutieren. In dem Film geht's auch um Chancen, die man in Kabul hat. Und da passt es wunderbar dazu, dass man jungen Flüchtlingen auch in Österreich eine Chance geben muss.



Das FRONTALE Filmfestival findet von 28. - 30. November im SUB in Wiener Neustadt statt. Mehr Infos unter www.frontale.at, auf Facebook oder auf Twitter.


Wer mehr über die Projekt Skateistan wissen möchte, kann sich hier informieren (oder hier auf Facebook). Mehr Infos zum Caritas-Haus Sarah in Neudörfl gibts hier.


(1) Die erledigten Asylanträge sind alle Entscheidungen, die 2012 getroffen wurden. Das bedeutet, dass jemand, der im Dezember 2012 nach Österreich gekommen ist, möglicherweise nicht in dieser Statistik enthalten ist. Von 4005 erledigten Asylanträgen von Afghanischen Flüchtlingen wurden 969 (42%) positiv, 1024 (44%) negativ und 321 (14%) mit "sonstig" abgeschlossen.

Donnerstag, 7. November 2013

Agora 2013

Seit 2011 veranstaltet das europäische Parlament einmal jährlich Agora, wo junge Menschen die Möglichkeit haben, ein Thema zu debattieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Das diesjährige Thema ist Jugendarbeitslosigkeit.



Ein bisschen Statistik: Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist auf einem Allzeithoch, in Griechenland sind etwa 60% aller jungen Menschen Arbeitslos! Österreich ist mit 9,2% (Stand Juli 2013) eine Insel der Seeligen.



Hauptproblem sind sogenannte NEETs - das seht für not employed, not in education or training. Die Zahl der NEETs in Europa ist erschreckend - 12,9% der europäischen Bevölkerung fällt darunter. Was sind die Gründe für diese Arbeitslosigkeit? Da sind sich Experten nicht einig. Als sicher gilt jedoch, dass ein niedriger Bildungsgrad mit einer erhöhten Chance auf Arbeitslosigkeit einhergeht.

Interessant auch der Fakt, dass Jugendarbeitslosigkeit, vor allem in Südeuropa, immer relativ hoch war, Ende der 60er sowie Anfang der 90er gab es ähnlich hohe Jugendarbeitslosigkeit wie heute.

Die Lösungen der Komission sind eher homöopathisch - Doris Pack, konservative Parlamentarierin aus Deutschland pries zB den Europäischen Freiwilligendienst als Schlüssel zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit. Ich stimme dem nicht zu. Auch die Ausweitung von Praktika und dergleichen seh ich sehr skeptisch.  Überhaupt merkt man hier eine konservative Hegemonie: ein weiterer Lösungsansatz war, dass junge, arbeitslose Menschen sich doch selbstständig machen sollen. Auch erhöhte Mobilität wurde vorgeschlagen. Das ist meiner Meinung nach aus mehreren Gründen problematisch: Zum einen führt es zu einem massiven Brain Drain, der sich zB gut in Bulgarien beobachten lässt, zum anderen werden Menschen gezwungen, sich Jobs anzupassen. Die Lösung kann doch nicht sein, dass Arbeitslose quer durch Europa reisen müssen, um einen akzeptablen Job zu finden!

Ich bin der Meinung, dass vor allem mit Vollzeitjobs geholfen werden muss. Wichtig sind gut bezahlte Vollzeitjobs - Kettenarbeitsverträge, befristete Dienstverhältnisse, Traineeships, das sind Jobs die junge Menschen hauptsächlich ausbeuten. Vielen bleibt aber nichts anderes übrig...

Ein paar erschreckende Redebeiträge gab es dann gestern auch noch - so war ein Teilnehmer der Meinung, dass es ohnehin zu viele gut ausgebildete Menschen in Europa gibt, und viel zu viele menschen nicht in ihrer Heimat arbeiten.

Tag zwei beginnt mit einer Überraschung. Das europäische Parlament inBrüssel ist schon ein bisschen älter, und deshalb wurden in viele Sitzungsräume nicht wirklich viele Steckdosen eingebaut, Gestern musste ich aufhören von der Konferenz zu twittern, weil mein Notebook ohne Akku war. Heute in der Früh bekomm ich einen Platz mit Steckdose :)

Seit knapp drei Stunden diskutieren wir nun über den Zugang zum Arbeitsmarkt für junge Menschen. Hauptsächlich gehts dabei um Praktika - die Teilnehmer sind nahezu geschlossen der Meinung, dass unbezahlte Praktika ein Riesenproblem für junge Menschen sind, weil die dadurch in einer Spirale voller un- oder schlecht bezahlter Jobs geworfen werden.  Ich freu mich jedenfalls auf die weitere Diskussion heute und was dabei rauskommt. Die Richtung jedenfalls stimmt.

Problematisch ist auch, dass Arbeitslosigkeit immer noch als Nationalstaatliches Problem gesehen wird.  Direkte Programme gegen Arbeitslosigkeit gibt es kaum, die viel besungene Jugendgarantie ist mit lächerlichen 6 Milliarden Euro ausgestattet. Dass die Jugendarbeitslosigkeit meiner Meinung nach auch von einer Austeritätspolitik kommt, ist hingegen kaum Thema...

Die Konferenz kann man auch im Webstream verfolgen: http://www.europarl.europa.eu/ep-live/en/schedule?filterBy=other (ich sitz im Panel 2), der Hashtag ist #agora2013