Samstag, 28. März 2015

Die Mär von der Neutralität

Seit einigen Tagen geistert ein Bild durch die sozialen Netze. Darauf sind Bradley Schützenpanzer zu sehen, die mit Waggons durch Österreich transportiert werden.

Facebook - SJ NÖ
Das Bild stammt vom Bahnhof Linz, es existiert auch ein Video eines mit Bundeswehrpanzer belandenen Zuges der durch den Bahnhof St. Pölten führt.

Das passiert laut Verteidigunsministerium ständig. Der Grund ist relativ einfach: Österreich als neutrales Land, umgeben von NATO-Staaten, da ist es logisch, dass Panzer und anderes Material auch über Österreichisches Staatsgebiet transportiert wird. Laut Kurier gibt es monatlich etwa hundert Anfragen ausländischer Streitkräfte dazu.

"Skandal", schreien die einen, "parlamentarische Anfrage", die anderen. Die Verletzung des österreichischen Neutralitätsgesetztes wird da ins Spiel gebracht, und sofort ist der Vorwurf zu hören: Das neutrale Österreich beteiligt sich an Kriegen.


Fakt ist: Österreich war nie neutral. Auf dem Papier, ja. Österreich ist in der NATO Partnership for Peace, die Waffen, Uniformen, ja sogar die Dienstgrade sind NATO-kompatibel. Österreich beteiligt sich an EU Battlegroups. Das Bekenntnis zur Neutralität war ein notwendiges, um den Staatsvertrag zu bekommen und eine Teilung Österreichs in einen westlichen und einen östlichen Sektor zu verhindern. Schon kurz nach der Unterzeichnung des Vertrags 1955 wurde aus der Neutralität ein Antikommunismus. Wesentliche Teile der österreichischen Luftraumüberwachung und der Aufklärung wurde vom Westen finanziert. Geheime Widerstandsgruppen, die sich hauptsächlich aus gewerkschaftsnahen Peronen rekrutierten, wurden vom Westen mit Material ausgestattet und trainiert. Die unausgesprochene Hoffnung auf die NATO, die im Falle eines Angriffs des Warschauer Paktes Österreich verteidigt, war lange Zeit Teil der österreichischen Verteidigungsdoktrin. Zu behaupten, die Neutralität hätte 1956 und 1968 vor dem Einmarsch der Russen geschützt, ist eine gewagte These, die so nicht bewiesen werden kann.

Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Ja, es wäre zu begrüßen, wenn Heere nicht mehr notwendig wären. Weltweit gibt es nur eine handvoll Staaten ohne Armee; Panama, Costa Rica und Island sind die wohl bekanntesten. Krieg ist scheiße. Niemand will Krieg. Aber leider ist militärisches Eingreifen manchmal nötig.

Neutralität ist feig.
Neutral zu sein, ist einfach. Man mischt sich einfach nicht ein, sieht nicht hin, und kann ruhigen Gewissens schlafen gehen. Das ist feig. Es ist notwendig, in Konflikten Haltung zu zeigen, und eine Position zu beziehen. Das mag nicht immer leicht sein, das mag einem manchmal ekelhaft vorkommen.

Und dennoch ist Österreich auch heute nicht neutral. Beispiel Ukraine-Konflikt: Die Neutralität, die Österreich hier vorgibt, ist lächerlich. Während die Krim anektiert wird, wird Putin ein Staatsbesuch geboten, der an Rückgratbefreiung kaum zu übertreffen ist.

Was mich aber am meisten ärgert: Jene Leute (zu denen auch die Sozialistische Jugend NÖ gehört), die ohne jeglichen Beleg behaupten, diese Panzer sind Teile von US-Truppen, die gerade in die Ukraine verlegt werden, um dort endlich den imperialistischen Krieg gegen Russland zu beginnen. Das entbehrt jeglicher Grundlage. Was mich wundert, ist wie linke und Recht plötzlich Hand in Hand gehen, obskuren russischen Propagandasendern und Homepages vertrauen, und Putin als Hüter der Weltordnung glorifizieren. Und Österreich als Marionette des US-Amerikanischen imperialistischen Weltunterwerfungskrieges, der mit Hilfe der NATO Waffenmacht geführt ist - geh bitte. Das ist lächerlich. Ein neutrales Österreich dürfte solche Transporte niemals genehmigen? Dann dürfte ein neutrales Österreich keinerlei Waffen, Fahrzeuge oder sonstiges Material verkaufen, dass ein Dual use möglich macht.

Das, was es zu kritisieren gibt, bleibt hingegen auffallend stumm im Hintergrund: Die enge Zusammenarbeit Österreichischer Geheimdienste mit der NSA (TIER B), die österreichische Beteiligung an illegalen Bespitzelungen, das nichtermitteln nachdem bekannt wurde, dass die NSA ganze Teile der UNO-City abzapft, ... Aber das ist auch komplizierter zu erklären, und gibt keine plakativen Sprüche und Fotos ab.

Die Neutralität ist eine Lüge, die sich Linke wie Rechte verzweifelt einreden, um ihr Nationenkonstrukt in einer Zeit der Internationalisierung zu erhalten.

Denn eine gelebte und ernst gemeinte Neutralität würde eine massive Aufrüstung Österreichs bedingen. Eine Luftraumüberwachung, die diesen Namen verdient, Ausbildung eines Heeres zum Kämpfen und - im Fall des Falles - auch Töten, nicht nur zum Kochen, Putzen und Offiziere herumchauffieren. Und das will nun auch niemand. So wird halt weitergewurschtelt, und wenns grad unangenehm wird, die Neutralität betont. Damit spart man sich zwar so manch unangenehme Positionierung, lügt sich aber selbst an.

Dienstag, 24. März 2015

Liebe SPÖ Wiener Neustadt!

Horst Karas hat vor wenigen Tagen um Anregungen und Kritik gebeten, dem möchte ich nachkommen. Morgen findet die Stadtkonferenz der SPÖ Wiener Neustadt statt. Weil ich aber seit kurzem in Brüssel wohne, kann ich dort nicht sagen, was ich mir denke. Daher hab ichs aufgeschrieben.

Liebe Genossinnen und Genossen,

Klaus Schneeberger hat sich seinen Bürgermeistersessel erpresst. Das ist unter anderem durch das Magazin Profil belegt. Die Losung: „Ich werde Bürgermeister, sonst bekommt die Stadt kein Geld mehr“ zog sich ab dem ersten Tag nach der Wahl durch die Gassen der Stadt. Nicht, dass es besser gewesen wäre, hätte die SPÖ mit den Blauen koaliert. Das wäre für mich, und für viele andere, ein Grund zum Parteiaustritt gewesen.



Wenn jetzt plötzlich von einer Mandatarin verlangt wird, sie soll ihr Gemeinderatsmandat aufgeben, oder sich eine andere Stelle als am Magistrat suchen, dann ist das eine Sauerei der Sonderklasse und zeugt von einem nicht vorhandenen Demokratieverständnis. Warum werden solche Machtmissbrauchsmechanismen nicht offen gelegt? Schneeberger wird Bürgermeister – und plötzlich sind knappe 40 Millionen Euro fürs Spital da! (Mittlerweile zahlt die Stadt teilweise mehr Geld für das Krankenhaus, als es noch in kommunaler Hand war).

Mit Klaus Schneeberger ist ein Politiker Bürgermeister, der das Desaster der Hypo Niederösterreich aktiv zu verantworten hat. Zur Erinnerung: Die Hypo hat Wohnbaudarlehen des Landes gekauft, und damit Spekuliert. Das Resultat kann sich sehen lassen – insgesamt knapp eine Milliarde wurde in den Sand gesetzt. Das hat mittlerweile sogar der Rechnungshof bestätigt. Mitglied im Aufsichtsrat war ein gewisser Klaus Schneeberger. Und genau dieser Mensch will jetzt den Wiener Neustädter Schuldenberg sanieren?

Bitte kommt mir jetzt nicht mit „Aber wir haben doch keine Medien, die NÖN schreibt sowas nicht“. Wir haben nach wie vor die Möglichkeit, unsere Mitglieder zu informieren. Das ist notwendiger denn jemals zuvor. Das bringt mich zu einem ganz wichtigen Punkt:

Politische Oppositionsarbeit braucht auch eine politische Organisation. Hier kommt der Geschäftsführung der Stadtpartei eine große Aufgabe zu. Politische Oppositionsarbeit ist mehr, als ein oder zwei Mal wöchentlich Einladungen zu Veranstaltungen auszuschicken (die noch dazu katastrophal formatiert sind). Die wesentlichste Aufgabe der Geschäftsführung ist es, die Partei zusammenzuhalten, zu informieren und in Entscheidungsprozesse einzubinden. Ohne diese Arbeit wird die SPÖ es nicht schaffen, alle Mitglieder zu einen und auf Oppositionsarbeit einzustellen. Die Geschäftsführung muss die politische Agenda, die hier auf dem Stadtparteikongress, im Vorstand und in der Fraktion gebildet wird, aktiv vertreten und unterstützen. Oppositionsarbeit ist nicht Stelzenschnapsen. Oppositionsarbeit ist auch nicht Kinderfasching. Das sind Teilbereiche der Arbeit, aber wenn danach nichts mehr kommt, dann sieht’s sehr traurig aus.

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen wurde sichtbar, wie schnell sich ein Mangel an Informationen in Spekulationen umwandeln kann: „Der Karas will ja gar nicht Bürgermeister werden“, war da zum Beispiel zu hören.

Die SPÖ hat die absolute Mehrheit verloren, die SPÖ stellt erstmals seit 70 Jahren nicht mehr den Bürgermeister. Das ist ein tiefer Einschnitt, das kostet Stolz und Kampfgeist. Aber anstatt sich einzuigeln und zu schmollen sollte man die Rolle in der Opposition jetzt als Chance sehen, sich mit der eigenen Partei kritisch auseinander zu setzen. Nicht alles in den letzten zehn, fünfzehn Jahren war schlecht. Aber auch nicht alles in den letzten zehn, fünfzehn Jahren war gut. Viele in der Partei haben oft aus einer Position der Besserwisserei heraus gehandelt, Kritik abprallen lassen. Eine Clique von wenigen Personen hat in der Partei bestimmt, wo’s langgeht. Innerparteiliche Kritik wurde viel zu oft als „Majestätsbeleidigung“ angesehen. Aber: Nur weil man sich gegenseitig bestätigt, dass eh alles passt, wird’s nicht wahr.

Dabei ist es gerade jetzt wichtig, zu analysieren: Warum ist es so weit gekommen? Wie konnte das passieren, dass die SPÖ so massiv das Vertrauen der Bevölkerung verliert? Ich möchte dazu kurz zwei Gedanken näher erläutern:

-    Die SPÖ hat es nicht geschafft, auf die gute Arbeit der letzten Jahre hinzuweisen
Trotz aller Finanznot hat es die Stadt geschafft, wichtige und richtige Projekte durchzusetzen und am Leben zu erhalten: Megafon, das Integrationsreferat, die Achterlacke, …

-    Stattdessen hat man einen Feel-Good-Wahlkampf geführt. Der macht nur dann Sinn, wenn man sich sicher sein kann, dass sich die Bevölkerung gut fühlt. Aber tatsächlich fühlen sich viele Leute in dieser Stadt nicht wohl. Das mag oft an Punkten liegen, die nicht in Kommunaler Hand sind. Aber Jemanden am Flugfeldgürtel zu sagen, Neustadt soll lebenswert bleiben? Für viele dieser Menschen scheint Neustadt nicht lebenswert! Man hat die Marke SPÖ außen vor gelassen und nur einen Persönlichkeitswahlkampf geführt.

-    Dazu kommen noch andere Punkte: Man hat sich auf ein Duell eingelassen, und damit Schneeberger unnötig viel Aufmerksamkeit geschenkt, man hat sich zu sehr auf ein Bauchgefühl (und eine massiv schlechte Umfrage) verlassen.

-    Und dann, liebe Genossinnen und Genossen, muss man über Personal diskutieren. Auch wenns weh tut. Man muss offen und ehrlich überlegen, ob das handelnde Personal immer das Beste war.

Wenn ich dann Argumente höre, wie „Die Leute sind so undankbar, die lügen dir bei den Hausbesuchen ins Gesicht“, dann möchte ich auch dazu eine kurze Anmerkung machen: Hausbesuche funktionieren dann, wenn man sich zeit für ein Gespräch nimmt. Viel zu oft haben die so ausgesehen: Da ist der Mandatar X hingegangen, hat den Leuten ein Sackerl in die Hand gedrückt, mit den Worten „Geht’s euch gut? Wählts SPÖ“, und das war’s dann auch schon wieder. Das zeigt sich auch an den Wahlständen samstagvormittags: Anstatt auf Leute zuzugehen, sie in ein Gespräch zu verwickeln und ihre Anliegen ernst zu nehmen, steht vorm Rathaus eine große Traube an Menschen in rot – die sich hauptsächlich untereinander unterhalten und sich gegenseitig versichern, dass eh alles leiwand ist.

Es benötigt eine schlagfertige Parteiführung, die nicht versucht, einen kleinen Teil vom Kuchen zu bekommen – so wie das die SPÖ Niederösterreich im Land lange Zeit gemacht hat, sondern klar und deutlich argumentiert. Es benötigt eine Fraktion, die selbstbewusst auftritt und die Malversationen – die, die schon da sind, und die, die noch kommen werden – aufzudecken und aktiv zu bekämpfen. Und vor allem braucht es eine starke Mitgliederpartei, die den notwendigen Druck ausübt und den handelnden Akteuren dadurch Rückendeckung gibt.

Neustadt ist nicht verloren. Wir werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie wieder eine absolute Mehrheit erhalten. Wer davon träumt, träumt auch von der eierlegenden Wollmilchsau. Aber wir können dieser fragile Regenbogenkoalition eine gewaltige Opposition entgegensetzen.

Ich wohne zwar mittlerweile in Brüssel. Dennoch fühle ich mich der Stadt Wiener Neustadt und der SPÖ nach wie vor stark verbunden. Die oben angesprochenen Punkte sind daher bitte nicht als „Ratschlag aus der Ferne“ zu verstehen, sondern als Anregung unter Freunden. Die Stadt hat einen Bürgermeister, der Erfüllungsgehilfe des Landeshauptmanns ist, nicht verdient. Die Stadt und ihre aktive alternative und jugendkulturelle Szene hat sicherlich keinen FPÖ Jugendstadtrat verdient.

Liebe Genossinnen und Genossen:  Die Regenbogenkoalition ist mit großer Sicherheit zum Scheitern verdammt, zusammengehalten von Geld. Zwar stützen die Grünen unnötigerweise Schneeberger, aber dennoch ist der Melange aus allen Parteien zum Scheitern verurteilt. Schafft die SPÖ die Transformation in eine Oppositionspartei – und die wird hart, keine Frage – dann kann man dieser österreichweit einzigartigen Koalition eine starke Kraft entgegensetzen.

Am Wahlabend ist geweint worden. Am Tag danach waren viele verkatert. Aber die wirkliche Arbeit, die beginnt erst jetzt. Die Roten Gfraster haben da einen schönen Spruch, den ich euch ans Herz legen möchte: Es geht noch lauter. Jetzt erst Recht!

Freundschaft!