Freitag, 22. November 2013

4 Wheels & a Board

Gestern fand im Triebwerk in Wiener Neustadt ein Prescreening zum FRONTALE Filmfestival statt. Gezeigt wurde der Film "Skateistan". Der handelt von einer NGO, die in Afghanistan eine Art Skateboardschule betreibt - und das ziemlich erfolgreich. Was zuerst mit einem leeren Brunnen und ein paar Boards begann, wurde zu einer Skatehalle mit angeschlossener Schule, wo Afghanische Kinder, unabhängig von Geschlecht oder Ethnie die Möglichkeit haben, zu lernen und Sport zu betreiben.


Afghanistan wird heute meistens mit Krieg verbunden. 50% der Bevölkerung, etwa 15 Millionen Menschen, sind unter 16 Jahre alt. Die Afghanische Gesellschaft ist von Gewalt geprägt, was ein anwesender Afghane so beschreibt: "Die viel Gewalt, so viel Jahre Krieg, das macht den Kopf kaputt!".

Skateboarden ist der einzige Sport, den Mädchen in der Öffentlichkeit ausüben dürfen - der Film ist bedrückend und hoffnungsvoll zu gleich; und absolut sehenswert!

Das wunderbare an diesem Abend: 25 junge Menschen, unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge aus Neudörfl, kamen ins Triebwerk, um sich den Film anzusehen. Was diese Menschen hinter sich haben, um von Afghanistan nach Österreich zu kommen, ist unglaublich.



Hier angekommen, werden die Kids als "Ankerkinder" bezeichnet, und ihnen wird unterstellt, dass sie nur nach Österreich kommen, weil sie hier als Minderjährige bessere Chancen haben - und sobald ihr Asylantrag anerkannt ist, sofort ihre Familie nachholen. Dieser Mythos lässt sich ganz leicht durch Zahlen widerlegen:
Laut der Asylstatistik des Innenministerium kamen 2012 17.430 AsylwerberInnen nach Österreich, davon 4.005 aus Afghanistan. 969 Asylanträge von Afghanen wurden positiv erledigt, 1034 negativ - das entspricht 44% negativer Asylanträge (1). Da sind allerdings alle Altersgruppen eingeschlossen. Die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlinge beträgt 1574 (1781, minus 207 denen Volljährigkeit attestiert wurde) Personen. Die Annerkennungsquote liegt ja bei 42% - das wären dann 661 Personen. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl aller positiv erledigten Asylanträge wären das dann 16,5 %. Von einer gezielten Aktion, jugendliche AsylwerberInnen nach Österreich zu schicken, kann also keine Rede sein...
Es war eine unglaublich tolle Erfahrung, mit diesen jungen Menschen zwar sehr zögerlich, aber doch, zu diskutieren. In dem Film geht's auch um Chancen, die man in Kabul hat. Und da passt es wunderbar dazu, dass man jungen Flüchtlingen auch in Österreich eine Chance geben muss.



Das FRONTALE Filmfestival findet von 28. - 30. November im SUB in Wiener Neustadt statt. Mehr Infos unter www.frontale.at, auf Facebook oder auf Twitter.


Wer mehr über die Projekt Skateistan wissen möchte, kann sich hier informieren (oder hier auf Facebook). Mehr Infos zum Caritas-Haus Sarah in Neudörfl gibts hier.


(1) Die erledigten Asylanträge sind alle Entscheidungen, die 2012 getroffen wurden. Das bedeutet, dass jemand, der im Dezember 2012 nach Österreich gekommen ist, möglicherweise nicht in dieser Statistik enthalten ist. Von 4005 erledigten Asylanträgen von Afghanischen Flüchtlingen wurden 969 (42%) positiv, 1024 (44%) negativ und 321 (14%) mit "sonstig" abgeschlossen.

Donnerstag, 7. November 2013

Agora 2013

Seit 2011 veranstaltet das europäische Parlament einmal jährlich Agora, wo junge Menschen die Möglichkeit haben, ein Thema zu debattieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Das diesjährige Thema ist Jugendarbeitslosigkeit.



Ein bisschen Statistik: Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist auf einem Allzeithoch, in Griechenland sind etwa 60% aller jungen Menschen Arbeitslos! Österreich ist mit 9,2% (Stand Juli 2013) eine Insel der Seeligen.



Hauptproblem sind sogenannte NEETs - das seht für not employed, not in education or training. Die Zahl der NEETs in Europa ist erschreckend - 12,9% der europäischen Bevölkerung fällt darunter. Was sind die Gründe für diese Arbeitslosigkeit? Da sind sich Experten nicht einig. Als sicher gilt jedoch, dass ein niedriger Bildungsgrad mit einer erhöhten Chance auf Arbeitslosigkeit einhergeht.

Interessant auch der Fakt, dass Jugendarbeitslosigkeit, vor allem in Südeuropa, immer relativ hoch war, Ende der 60er sowie Anfang der 90er gab es ähnlich hohe Jugendarbeitslosigkeit wie heute.

Die Lösungen der Komission sind eher homöopathisch - Doris Pack, konservative Parlamentarierin aus Deutschland pries zB den Europäischen Freiwilligendienst als Schlüssel zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit. Ich stimme dem nicht zu. Auch die Ausweitung von Praktika und dergleichen seh ich sehr skeptisch.  Überhaupt merkt man hier eine konservative Hegemonie: ein weiterer Lösungsansatz war, dass junge, arbeitslose Menschen sich doch selbstständig machen sollen. Auch erhöhte Mobilität wurde vorgeschlagen. Das ist meiner Meinung nach aus mehreren Gründen problematisch: Zum einen führt es zu einem massiven Brain Drain, der sich zB gut in Bulgarien beobachten lässt, zum anderen werden Menschen gezwungen, sich Jobs anzupassen. Die Lösung kann doch nicht sein, dass Arbeitslose quer durch Europa reisen müssen, um einen akzeptablen Job zu finden!

Ich bin der Meinung, dass vor allem mit Vollzeitjobs geholfen werden muss. Wichtig sind gut bezahlte Vollzeitjobs - Kettenarbeitsverträge, befristete Dienstverhältnisse, Traineeships, das sind Jobs die junge Menschen hauptsächlich ausbeuten. Vielen bleibt aber nichts anderes übrig...

Ein paar erschreckende Redebeiträge gab es dann gestern auch noch - so war ein Teilnehmer der Meinung, dass es ohnehin zu viele gut ausgebildete Menschen in Europa gibt, und viel zu viele menschen nicht in ihrer Heimat arbeiten.

Tag zwei beginnt mit einer Überraschung. Das europäische Parlament inBrüssel ist schon ein bisschen älter, und deshalb wurden in viele Sitzungsräume nicht wirklich viele Steckdosen eingebaut, Gestern musste ich aufhören von der Konferenz zu twittern, weil mein Notebook ohne Akku war. Heute in der Früh bekomm ich einen Platz mit Steckdose :)

Seit knapp drei Stunden diskutieren wir nun über den Zugang zum Arbeitsmarkt für junge Menschen. Hauptsächlich gehts dabei um Praktika - die Teilnehmer sind nahezu geschlossen der Meinung, dass unbezahlte Praktika ein Riesenproblem für junge Menschen sind, weil die dadurch in einer Spirale voller un- oder schlecht bezahlter Jobs geworfen werden.  Ich freu mich jedenfalls auf die weitere Diskussion heute und was dabei rauskommt. Die Richtung jedenfalls stimmt.

Problematisch ist auch, dass Arbeitslosigkeit immer noch als Nationalstaatliches Problem gesehen wird.  Direkte Programme gegen Arbeitslosigkeit gibt es kaum, die viel besungene Jugendgarantie ist mit lächerlichen 6 Milliarden Euro ausgestattet. Dass die Jugendarbeitslosigkeit meiner Meinung nach auch von einer Austeritätspolitik kommt, ist hingegen kaum Thema...

Die Konferenz kann man auch im Webstream verfolgen: http://www.europarl.europa.eu/ep-live/en/schedule?filterBy=other (ich sitz im Panel 2), der Hashtag ist #agora2013

Donnerstag, 15. August 2013

Kirche und Kunst

Sankt Peter an der Sperr ist eine ehemalige Dominikanerkirche. Ehemalig bedeutet in diesem Fall, dass seit über 200 Jahren keinerlei religiösen Festivitäten oder dergleichen stattfanden - die Kirche wurde nämlich von Josef II enteignet und profaniert. Seit etwa Mitte der 60er ist St. Peter an der Sperr Teil des Wiener Neustädter Stadtmuseums und Ausstellungsort.

Ausgestellt haben hier unter anderen Erwin Wurm, Michael Haas, Wolfgang Hollegha, gezeigt wurde Jakob Gasteigers  Installation Volumen:


Wolfgang Stifter war ebenfalls da:


Insgesamt ist St. Peter an der Sperr also seit Jahrzehnten ein Ort für Kunst und Kultur, für Ausstellungen und dergleichen. Das Ganze übrigens bei freiem Eintritt!

Am 22. August wird die nächste Ausstellung eröffnet. Deborah Sengl wird bis 29. September ihre Arbeiten vorstellen. In ihrem Werk beschäftigt sie sich unter anderem mit der Kirche, so zB im Zyklus "Selig sind die Unwissenden" in dem sie die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche thematisiert:
In der im Hinblick auf diese Ausstellung begonnenen Serie “Selig sind die Unwissenden“ setzt sich die Künstlerin einmal mehr kritisch mit der katholischen Kirche auseinander. In einem großformatigen Gemälde sehen wir einen korpulenten Kardinal mit der äußeren Erscheinung eines Schafes demütig und trauernd vor dem Sarkophag des 2005 verstorbenen Papstes Johannes Paul II. knien. Die leichte Untersicht lässt den marmornen Prunksarg massiv und kolossal erscheinen. Sinnbildlich steht diese Monumentalität sicherlich für den Machtanspruch der katholischen Kirche generell und das gewaltige, unermesslich große Verbrechen des Missbrauchs, das auch während der 27-jährigen Regentschaft Johannes Paul II. hinter verschlossenen Kirchentüren gehalten wurde. 
Das Herzstück (...) markiert eine unmittelbar vor der Ausstellung fertig gestellte Skulptur. Deborah Sengl greift die Redewendung “Wolf im Schafspelz“ auf und zeigt eine den Boden abschleckende menschliche Figur in Papstkleidung mit dem schaffellbezogenen Kopf eines Wolfs. Papst Johannes Paul II hatte es sich zur Tradition gemacht, nach dem Ausstieg aus dem Flugzeug bei seiner Ankunft in den unterschiedlichen Ländern zum Zweck der Ehrerbietung deren Boden zu küssen. Dem publikums- und medienwirksamen Bodenküssen des Papstes als Herr über Millionen “Schäfchen“ scheint Deborah Sengl nicht über den Weg zu trauen. Die Künstlerin appelliert an unsere Wahrnehmung und Sensibilität im Umgang mit Autoritäten. Mit den Wölfen heulen war Deborah Sengl schon immer suspekt. (Quelle)



Hauptsächlich stoßen sich die Fundamentalisten aber auch an einem Bild mit einem gekreuzigten Huhn. Das Bild ist Teil der Serie "Via Dolorosa", die in St. Peter an der Sperr gezeigt wird.



Und das gefällt einigen katholischen Fundamentalisten gar nicht. Seit Tagen machen sie auf diversen Seiten im Internet Stimmung gegen die Künstlerin. Das hört sich dann so an:

die sogenannte moderne kunst ist grossteils sowieso eine verarsche. man kann heute eine kackwurst auf weissem leinen verschmieren und dazu eine passende philosophische intention dazuerfinden. irgendein kulturbolschewist des ministeriums wird diesen genialen gedenken frohlocken aufnehmen und sie subventionieren. natürlich sind nicht alle die das fabrizieren lobotomiewürdig denn wer klug ist und reibach will produziert auf nachfrage. wer es aber tatsächlich aus innerer überzeugung fabriziert braucht fürsorge.
Sehr geehrter Galahad: Danke für ihre Information über dieses frevlerische, satanische Machwerk, bin ja gespannt wie die Nuntiatur, Kirche Ö, Schönborn, Ludwig Schwarz reagieren werden. (informiert wurden sie zumindest, so das diese nicht wie ja üblich sagen können, sie wussten von nichts)
Gottes und Mariens Segen auf allen Wegen
wenn die lenker einer gesellschaft (nicht die politiker) nicht gott dienen sondern anhänger des teufels sind dann dient auch die geförderte kunstszene nicht der erbauung, dem schönen, dem hinführen zum zeitlosen, sondern vielmehr der zersetzung, der gotteslästerung, der entartung und der geistesvernichtung.
Es scheint, dass die Fundamentalisten sehr gut vernetzt sind, mittlerweile finden sich auch schon in Frankreich Artikel & Kommentare:
Cette personne est tout sauf une artiste et ceux qui vont voir cette exposition de grands malades. - Diese Person ist alles andere als ein Künstler, und alle, die diese Ausstellung sehen, sind ernsthaft krank.
Hinter dem L'observatoire de la Christianophobie steht die Piusbrüderschaft. Deren Weltbild ist schnell erklärt:

Antisemitismus:
"Unsere Feinde sind Juden, Kommunisten, Freimaurer" (Gründer der Piusbruderschaft, Lefebvre)
"Es unterliegt keinem Zweifel, dass jüdische Autoren an der Zersetzung der religiösen und sittlichen Werte in den zwei letzten Jahrhunderten einen beträchtlichen Anteil haben." (aus einer Schrift der deutschen Piusbrüder)

Leugnung des Holocaust
Richard Williamson, sowie Florian Abrahamowicz leugneten mehrmals den Holocaust mit Aussagen wie: „Ich weiß, dass die Gaskammern zur Desinfektion benutzt wurden. Ich weiß nicht, ob darin Menschen zu Tode gekommen sind.“. Williamson bezog sich außerdem auf den revisionistischen Leuchter-Bericht.

Ablehnung der Homosexualität
Mit Tafeln bei Christopher Street Day-Veranstaltungen bezeichnen sie AIDS als Gottes Strafe für Homosexualität. Außerdem sind sie Anhänger des Paragraphen 175.

Gegner der Gleichberechtigung von Mann und Frau:
Williamson: „Fast kein Mädchen sollte zu irgendeiner Universität gehen. […] Aber wo finden weiterführende Mädchenschulen dann ihrerseits weibliche Lehrkräfte, wenn kein Mädchen mehr ein Studium absolviert? Man braucht keine Universität, um das meiste von dem zu lernen, was Mädchen unterrichtet zu werden brauchen, zum Beispiel Hauswirtschaft, Einrichtung und Unterhalt eines Heims, Pflege und Erziehung der Kinder, die geistige und soziale Vorbereitung auf die Ehe.“

Einer der wohl bekanntesten Piusbrüder in Österreich ist der BZÖ-Europaabgeordnete Ewald Stadler.

Vorläufig letzter Schlag der Fundamentalisten: Sie schafften es, dass Sengls Facebook-Seite gesperrt wurde - angeblich wegen Pornografischen Inhalten. Stein des Anstoßes war dieses Bild:


(Kurze Anmerkung meinerseits: Wer jetzt immer noch meint, mit Netzsperren und Pornofilter kann kein Missbrauch getrieben werden, dem ist jetzt wohl nicht mehr zu helfen...)

Die ganze Aktion der Fundamentalisten gipfelte in einschlägigen Postings auf Sengls Facebook-Profil.

Weil Fundamentalismus nicht entscheiden darf, was Kunst ist und was nicht, weil die Zeiten, in denen die Kirche bestimmte, was erlaubt ist und was verboten, dankenswerterweise schon längst vorbei sind, gilt es, Deborah Sengl zu unterstützen.

Am 22. August wird ihre Ausstellung eröffnet, zu sehen ist sie von 23. August bis inklusive 29. September 2013; immer Montags bis Freitags von 10 - 18 Uhr in St. Peter an der Sperr.

Weitere Werke von Deborah Sengl finden sich auf ihrer Homepage sowie auf ihrem (mitterweile wieder freigegebenem) Facbook-Profil
Aus der Serie "Logo"

Kleine Anmerkung noch am Rande: Dass die Kirche St. Peter an der Sperr eben schon lange keine tatsächliche Kirche mehr ist, wollen Hardcore-Fundamentalisten ja nicht einsehen. Ich hab das selbst erfahren, als vor Jahren mal versucht wurde, mich anzuzeigen - weil ich ebendort ein Halloween-Fest veranstaltet hab - und einem heidnischen Kult in einem geweihten Sakralbau zu frönen, das geht ja nun wirklich nicht... ;)


Mittwoch, 31. Juli 2013

Das Rote Kreuz und die Blutspende

Das Rote Kreuz braucht dringend Blut. In einer dramatisch formulierten Pressemitteilung heißt es heute:
Die Lagerstände der Blutbanken sind dramatisch gesunken. Das Rote Kreuz benötigt derzeit dringend speziell rhesus-negative Blutgruppen, um lebenswichtige Konserven herzustellen. 
Unfälle und Erkrankungen machen keinen Urlaub. Auch in der Ferienzeit müssen täglich in den Spitälern Patienten behandelt und versorgt werden. Die Versorgung mit sicheren Blutprodukten ist aber gerade im Sommer eine Herausforderung. 
Die Rotkreuz-Blutspendedienste benötigen derzeit alle Blutgruppen, besonders dringend sind die rhesus-negativen Blutgruppen gefragt.
So weit, so gut. Schließlich ist die Versorgung mit Blutkonserven ja ein sehr begrüßenswerter Dienst an der Allgemeinheit. Leider hat die Sache einen Haken. Denn wer homosexuell ist und Blut spenden möchte, darf das nicht.


Screenshot von www.blut.at

Was also ist da dran?


Die Argumentation, die das Rote kreuz auf seiner Homepage liefert, ist Nonsens. Wenn man homosexuelle Männer von der Blutspende ausschließen möchte, weil sie ein signifikant höheres Infektionsrisiko für HIV haben, so müsste man zb auch alle Wiener von der Blutspende ausschließen - immerhin waren 2011 ein drittel aller Männer, die sich neu mit HIV infiziert hatten, aus Wien - wenn das nicht ein signifikant höheres Risiko darstellt, in Wien an HIV zu erkranken, dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Nichts desto trotz bittet die RK-Blutspendezentrale:
Um den dramatisch gesunkenen Lagerstand wieder zu füllen, bitten wir speziell die Wienerinnen und Wiener um ihre Blutspende. Am einfachsten und bequemsten direkt in der klimatisierten Blutspendezentrale.
Aber die Argumentation des Roten Kreuzes lässt sich auch anders widerlegen. Die AGES gibt einen jährlichen Bericht über HIV in Österreich heraus, und der sagt ganz klar:
Unter den PatientInnen bei denen zw. 2001 und 2012 HIV diagnostiziert wurde (= 3754, davon 75,2% Männer und 24,8% Frauen), wurde das Virus zu 41,3% durch heterosexuelle Kontakte übertragen, zu 37,1% durch MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) und zu 14,8% durch intravenösen Drogenkonsum;
2011 waren der Statistik Austria nach Daten des Gesundheitsministeriums übrigens ganze 21 (!) Fälle von homosexueller HIV-Übertragung bei Männern bekannt.

Der Ausschluss von homosexuellen Männern bei der Blutspende hat also keinen wirklich wissenschaftlich fundierten Hintergrund, die Statistiken sprechen ganz deutlich eine andere Sprache. Das hat mittlerweile sogar die deutsche Bundesärztekammer erkannt, die sich für eine Änderung der Regelung einsetzt. In Italien und Spanien etwa findet kein automatisierter Ausschluss von Homosexuellen mehr statt.

Auch die Gleichsetzung von homosexuellem Geschlechtsverkehr mit einem Risikoverhalten stellt nicht anderes als eine homophobe Diskriminierung dar.

Es wird also Zeit, endlich auch homosexuelle Männer zur Blutspende zuzulassen!

Freitag, 26. Juli 2013

Rettungsdienst & Zivilgesellschaft

Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Roten Kreuzes, schreibt heute in der Presse in einem Gastkommentar:
Warum sind Banken systemrelevanter als beispielsweise zivilgesellschaftliche Organisationen? Was ist mit den negativen Folgen für andere Gesellschaftsteilnehmer, wenn sie – mangels geeigneter Rahmenbedingungen und Förderungen – scheitern?
und weiters
Nehmen wir, nur als Gedankenexperiment, einmal an, das zivilgesellschaftliche System scheiterte. Da es aber nicht als systemrelevant gilt, käme es zu keinem Bail-out: Die Rettung käme nicht mehr, dasselbe gälte für die Feuerwehr, für Essen auf Rädern, Heimhilfe und Besuchsdienste. Niemand organisierte mehr Blutspendeaktionen. Die Versorgung der Spitäler mit Blutkonserven rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr bräche zusammen.
Noble Thesen, die Kerschbaumer da verbreitet. Zivilgesellschaft (für die es keine eindeutige Definition gibt) soll systemrelevant werden. Das ist, ohne Frage, eine durchaus interessantes Anliegen. Allerdings lässt sich das nicht eins zu eins auf den Rettungsdienst umlegen.

Ob es Kerschbaumer recht wäre, dass sich Menschen, die ein paar Stunden Ausbildung haben, am Wochenende oder in der Nacht als Bankvorstände betätigen würden und sein Konto managen? Oder noch krasser: Käme jemand auf die Idee, sich in seiner Freizeit eine Uniform mit Waffe anzuziehen und Polizist zu sein (die Spinner der Bürgerwehren jetzt mal ausgenommen).

Beim Rettungsdienst passiert aber genau das. Nahezu jedeR kann mitmachen - 160 Stunden Ausbildung, und schon gehts als Sanitäter zu jeder Art von Notfällen - massive Polytraumen und Reanimationen miteingeschlossen - wo man ohne Erfahrung, und fundierte Ausbildung eigenverantwortlich handeln muss - auch wenn das Gesetz das eigentlich gar nicht so vorsieht. (Wie das Rote Kreuz sich Rettungsdienstgesetzt bastelt und sie dann trotzdem nicht einhält, habe ich bereits hier beschrieben).

Das eigentliche Problem ist aber die vehemente Resistenz gegen neue Erkenntnisse der Notfallmedizin, die das Rote Kreuz nicht umsetzt. Bereits jetzt ist Österreich eines der rückständigsten Länder, was Rettungsdienst betrifft - man möge mal einen Blick in die Slowakei oder nach Tschechien werfen.

Ein aktuelles Beispiel:
Dass der Larynxtubus in seiner Anwendung unkompliziert ist, zeigen Studien. Dort kam es bei 97% aller Fällen zu einer komplikationslosen Intubation. Die Beutel-Maske-Beatmung, Standard beim Roten Kreuz, zeigt hingegen große Probleme: Die Handhabung des Beutels sowie die korrekte Durchführung der Beatmung ist selbst für geübte nicht immer möglich, geschweige denn für Sanitäter, die keinerlei Erfahrung haben.

Und was macht das Rote Kreuz? In Niederösterreich darf der Larynxtubus heute immer noch nicht verwendet werden - und das trotz Bescheid des Gesundheitsministeriums, dass der Larynxtubus der Beutel-Maske-Beatmung gleichzusetzen ist. Aber was erwartet man sich von einem Rettungdienst, der erst 2007 (!) die Blutzuckermessung für Sanitäter erlaubt hat?

Warum? Ganz einfach: Es ist schwer, freiwilligen Sanitätern Schulungen aufzuzwingen. Bereits jetzt ist die 16-stündige Fortbildungspflicht in 24 Monaten für einige zu viel Aufwand. Die Mindestdienstverpflichtung von 2 Diensten/Monat (ebenfalls rund 16 Stunden) rundet das Sittenbild ab. Geringe Ausbildung, geringe Erfahrung, nahezu keine Fortbildung. Und von diesen Sanitätern soll man erwarten, dass sie Larynxtuben setzen? 

Professioneller Rettungsdienst braucht professionelles Personal, kein freiwilliges, zivilgesellschaftliches Engagement. Was Kerschbaumer eigentlich will, ist mehr Geld für den Rettungsdienst - in der Steiermark ist dieser Streit unlängst eskaliert. Diese berechtigte Forderung aber mit einem Zivilgesellschaftlichen Engagement zu argumentieren, das den Rettungsdienst in Österreich auf Jahrzehnte hinaus gelähmt hat und es auch weiterhin tun wird, ist eine Chupze sondergleiche.

Donnerstag, 27. Juni 2013

Jugendbeauftragter bleibt!


Für alle, die es gestern noch nicht mitbekommen haben: Der Jugendbeauftragte der Stadt Wiener Neustadt bleibt!

Etwa 70 Menschen sind zur Demo gekommen, haben lautstark gezeigt, was sie von der geforderten Abschaffung halten.








Unterschriftenübergabe:




Ein Video wird gerade geschnitten, das wird in den nächsten Tagen dann online sein.

Bericht im KURIER: Jugendarbeit im Kreuzfeuer

Eine Schar von 50 Demonstranten verschaffte sich mit Lautsprechern vor dem Rathaus lautstark Gehör.
Sie protestierten vor Beginn der gestrigen Gemeinderatssitzung gegen die Abschaffung des Jugendbeauftragten der Stadt und übergaben Bürgermeister Bernhard Müller eine Petition mit Hunderten Unterschriften. ÖVP, FPÖ, Liste Soziales Neustadt und Liste Haberler hatten im Vorfeld angekündigt, mit einer Resolution den umstrittenen Jugendbeauftragten absetzen zu wollen.

Und dann kam die Gemeinderatssitzung. Es wurde knapp zweienhalb Stunden diskutiert, hier kann man jede Wortmeldung nachlesen (die sind im Original von meinem Facebook-Profil kopiert, inklusive Typos):

jetzt gehts gleich los: der nächste punkt im gemeinderat behandelt den jugendbeauftragten!

zwickl hat jetzt den antrag eingebracht, argumentiert mit kostenersparnis sowie sinnlosigkeit des postens.

marie grüner erwidert, dass megafon durchaus erfolgreiche veranstaltungen bringt, jugendbeauftragter wichtig ist und abschaffung ein schlechtes signal an junge menschen wäre.

udo landbauer (fpö): wenn man einer einzelnen person geld in die hand drückt, wird nichts sinnvolles dabei rauskommen, unterstellt demonstranten eindeutig zuzuordnendes klientel sein - was er damit mein, braucht man wohl nicht extra zu erwähnen. unterstellt, gausch parteipolitisch zu agieren, fm4-beitrag initiiert zu haben sowie fm4 eine pparteilichkeit. und wünscht sich dann, dass jugendarbeit ernster genommen wird.

landbauer "jugendarbeit wird dermaßen ideologisiert, dass es grauslich ist!"

landbauer wünscht sich ausserdem, dass das eingesparte geld an vereine verteilt wird - nach dem gießkannenprinzip.

tanja windbüchler (grüne): "es spricht nicht, wirklich nichts, gegen den dienstposten des jugendbeauftragten, es gibt kein argument für seine abschaffung"

windbüchler: "jugendbeauftragter ist ansprechpartner sowie schnittstelle zwischen stadt und jugendlichen, vernetzt und lobbyiert für jugendliche"

windbüchler: "jugend ist nicht heterogen. es geht nicht um linkes publikum, es geht nicht um spezielle ausrichtungen einzelner lokalitäten" "wiener neustadt sollte endlich aufhören, über jugendliche in dieser form zu debattieren und sie einzubinden!"

müller: "ad landbauer: da sind ein wenig die masken gefallen, bin sehr froh, dass wir uns die jugend & bürger nicht aussuchen können, da würden mich gewisse tendenzen gruseln lassen". "ich habe das gefühl, die övp lässt sich von zorn und befindlichkeiten leiten"

müller: "niemand unterstellt ihnen, fr zwickl, dass die die jugendarbeit abschaffen wollen - aber es gibt kein schlechtes bild, wenn eine der jüngsten mandatare den jugendbeuaftragten abschaffen will. das sehen auch junge menschen so!" "die (jugendbeuaftragten) machen manchmal auch dinge, die wir nicht teilen, aber wir sollten nicht das signal aussenden, dass wir mit der abschaffung des jugendbeauftragten senden"

müller: "wir wollen die menschen, die großartige arbeit leisten, beibehalten." zwickl sendet signal aus, dass sich politik endgültig von jugendlichen entfernt hat.

stocker (övp): haben gewaltige finanzielle schieflage, stelle des jugendbeauftragten ist einsparungspotential. auch vor gausch hätte es jugendarbeit gegeben. das triebwerk gibts seit 15 jahren, und da hats keinen beauftragten dazu gebraucht. "werden uns darüber unterhalten müssen, diese position abzuschaffen"

stocker verteidigt zwickl, sei massiv beschimpft worden, demonstranten fordern "fäuste hoch", pro gausch gegen oasch sei persönlich gemünzt.

sluka-grabner ist überzeugt, dass andere jugendliche, die keine akkademiker sind, die arbeit von gausch machen können, noch dazu billiger. jugendbeauftragter ist keine schöpfende tätigkeit. video am samstag sei von megafon finanziert

sluka-grabner ärgert auch die renovierung des ungarviertler zentrums, das seinen unnötige ausgaben, das hätte alles eingespart können werden. abschaffung des jugendbeauftragten erspart der stadt und ihrer bürgern vieles

magistratsamtadirektor: "kdz-bericht sagt klar, dass jugendbeuaftragter wichtige arbeit liefert." "abschaffung bringe gar keine 70.000 euro. aus fachlichen und sachlichen vereichen ist eine schließung nicht zu begründen." von einer auflassung sei im kdz-bericht keine rede!

schnedlitz (fpö): "teilnehmer der demo sind alles sj oder junge generation der spö mitglieder" jugendbeauftragter hat debatte aufgebauscht. "95% der jugendlichen laufen nicht mit zerissenem tshirt herum, wollen wir einen sozialberater oder jugendbeauftragter". bringt neostadia-bude als beispiel für erfolgreiche jugendarbeit. (SIC!)

schnedlitz" hoffe das die debatte morgen wieder ein ende hat"

karas (jugendstadtrat, spö): "övp, fpö, sluka, haberler haben sich heute klar gegen die jugend ausgesprochen"


karas: berichte über parteilichkeit oder wahlempfehlungen von megafon sind eindeutig zurückzuweisen. ad randgruppen-sager von zwickl: jeder der sich ein bisschen it jugendarbeit beschäftigt, weiß, dass es keine homogene gruppe der "jugendlichen" gibt. "das ist fatal frau zwickl, das hätten sie nicht machen sollen!" "jugendliche wollen sich durch politische machtspiele nicht erfolgreiche arbeit vernebeln lassen" "wünsche mir, dass sie diese stellungnahme zurücknehmen"

haberler: "alles, was nicht aus dem linkslinken spektrum kommt, alles was nicht ganz ganz weit links angesiedelt ist, wurde die subvention abgedreht"

trofer (spö): "ich glaube, dass sie etwas schiefliegen. ich verstehe die situation nicht, in die sich die frau zwickl hineingebracht hat. der handlungs- und erklärungsbedarf liegt auf ihrer seite." "ideologische ausrichtung wurde ganz klar in diese debatte gebracht" ad sluka: "wenn sie nur halbwahrheiten kennen, dann äußern sie sich bitte nicht" ad övp: "erklären sie den jugendlichen, dass sie randgruppen sind"

dinhopl: "vereine, die ehrenamtlich arbeiten, bekommen nichts". will jugendorganisationen fördern. unterstellt, dass zwickl massiv beschimpft wurde "das ist eine diktion, die nicht unterstütz werden darf!"

weiter gehts. rosecker (spö): wenn man sich die soziologische zusammensetzung der veranstaltungen, der gäste anschaut, dann zeigt sich, dass da für jeden was dabei ist" "all diese veranstaltungen sind öffentlich zugänglich, jeder kann kommen"

gruber (övp): "gefördert werden sollen eigeninitiativen. denen soll das hauptaugenmerk der förderungen zugutekommen." "zwickl ist dauernd bei jugendlichen unterwegs, wird belästigt und beschimpft, absichtlich missverstanden und -interpretiert. werden uns zu verteidigen wissen" "zwickl ist dort, wo wirklich jugendliche sind". und dann zitiert er tocotronic: ich möchte teil einer jugendarbeit sein.

sluka-grabner nochmal: "vlt verstehe ich aufgrund meines alters nicht, ich hätte aber auch mit 18 keinen sinn darin gesehen, mich am hauptplatz zu setzen und mit lack auf pappe zu sprühen" (sie spricht damit auf unser video an) "es kann nicht sein, dass der jugendbeauftragte ein akkademiker sein muss, das ist eine übertreibung der kosten"

siedl (spö): "wir haben die zeichen der zeit erkannt, die art und weise wie wir auf jugendkulturelle arbeit reagieren war nicht mehr zeitgemäß" daher sei sie froh über den jugendbeauftragten. "es braucht personelle und finanzielle ressourcen, die eigeninitiative überhaupt erst möglich macht!" "wir füllen einen bereich, der lange zeit sich selbst überlassen wurde, wo sämtliche problematiken aufgebrochen und unkontrollierbar wurden"

machowitz (övp): war seit frühester jugend in vereinen, sport, kultur, handwer, auch als funktionär, was mich befremdet: es gibt in 1000 kommunen vereine, die beste jugendarbeit leisten - wo gibt es in den kleinen dörfern einen jugendbeauftragten? die erfüllen das alle ehrenamtlich" "gausch erledigt job, den andere ehrenamtlich machen können!"

grüner nochmal: "zum einem: bitte sie, jugendliche unabhängig ihres aussehens, ihrer musik einzuordnen - dann wäre ich nämlich die randgruppe der randgruppe" "gestern fand megafon diskursabend statt. spö, övp, grüne waren da, alle anderen nicht" "initiative, die proteste organisiert hat, hat weder mit gausch noch parteien zu tun, war nicht von megafon finanziert, war initiative von jugendlichen und nicht gesteuert" "was sich in den letzten jahren entwickelt hat, ist ein riesen schritt in die richtige richtung"

pammer (spö): "interessant, welche sichtweisen gr-mitglieder über jugendliche entwickeln" "övp muss akzeptieren, dass auf aussage von zwickl sich protest entwickelt" "stimmt nicht, dass es kein geld mehr für vereine gibt" "wir wissen vlt zu wenig, was megafon tut. junge menschen kommunizieren anders, wissen bescheid". weist auf megafon-tv hin. "wisst ihr, was mit der förrderung des landes zur jugendpartnergemeinde entsteht? was mit veranstaltungen entsteht? diskussion! und das ist gut so!" "dieser diskussion kann ich nur ein positives abgewinnen: die diskussion ermöglicht, megafon uns alten zu präsentieren, die jungen wissens nämlich eh schon"

bürgermeister müller beschwichtigt die diskussion, versucht emotionen aus der debatte herauszunehmen. "sie, frau zwickl, haben eine sehr kräftige art, auszuteilen, dass so so forsch voranschreiten, das muss auch mal gesagt werden". wer austeilt, muss auch einsstecken.

müller: "forderung der jugend, das uvz explizit für jugendliche zu eröffnen, das wurde umgesetzt"

müller: "natürlich hat es jugenarbeit gegeben, aber nicht in der qualität wie heute" "ich glaube nicht, dass das geht, weder bei frauen-, noch sozial- noch jugendpolitik, dass man vereinen geld gibt und sagt, macht das" "vereine können die arbeit der beauftragten nicht leisten. warum kommt den die jugend nach neustadt? weils ausserhalb fast nichts mehr gibt!" "wir sind der fokus, in kleinen gemeinden mags aufgrund der größe ehrenamtlich funktionieren, in neustadt ist das nicht machbar" "der antrag ist ausserdem nicht korrekt, der bezug auf das kdz ist inhaltlich falsch"

karas wieder: "viele, die hier sprechen, über megafon oder jugendarbeit, haben keine ahnung, was in wiener neustadt passiert:" und jetzt liest er den tätigkeitsbericht von megafon vor. es wird etwas dauern.

karas: "danke an megafon, danke an gausch & kummnig, danke an alle die sich hinter den jugendbeauftragten gestellt haben. ich werde ihn erhalten!"

stocker: "wir sind der meinung, dass das geld nicht in verwaltung, sondern direkt in bereits vorhandene initiativen zu fördern" "wir sind sehrwohl für die jugend, jugendarbeit hats vorher auch gegeben, jugendbeauftragten brauchen wir dafür nicht" "will noch anführen: wir reden von dingen, die wir nicht kennen - woher wollts ihr das wissen? ich setze voraus, dass jeder gemeinderat weiß, worüber er redet, das er sich mit dem thema auseinandersetzt"

stocker: "wäre ich jugendbeauftragter, würde ich mich nicht von den leuten (die gausch unterstützt haben, anm) unterstützen lassen." "fäuste hoch brauch ma ned!"

landbauer (fpö): "was mir wichtig ist, nochmals zu betonen: unsere ansicht, dass man von dieser art und weise der jugendarbeit wegkommen muss!"

hatvan (övp) "ich selbst mache radfahren, wanderungen, kleinkraftwerksführungen, bei uns in der fraktion passiert was für die jugend!"

schlusswort der diskussion von zwickl: "mir ist klar, dass es unangenehm ist, wenn man sich eingestehen muss, dass das projekt jugendbeauftragter gescheitert ist" "unterschriftenliste wurde von jg nö rekrutiert, in ganz europa wurde rekrutiert!"

zwickl "ich hätte jugendliche als randgruppen bezeichnet, diesen vorwurf lass ich mir nicht gefallen!" "wenn zu einer veranstaltungen drei gäste kommen, müssen die sich den vorwurf gefallen lassen, sie sind nicht mainstream, sondern randgruppen"

zwickl: "gerade wenn es um freizeitsinfrastruktur geht, bekommen wir beschwerden, die jugendlichen fahren in die nachbargemeinden" "leistungsbilanz schaut gut aus auf dem papier, aber genaues hinsehen zeigt, dass da viel lärm um nicht gemacht worden ist" "bei megafon-veranstaltungen waren nie sonderlich viele besucher, das ist ein armutszeugnis für den jugendbeauftragten"

zwickl: "papageienball war so schlecht besucht, rentiert sich nicht" "irgendwas muss in dem bereich des jugendbeauftragten falsch laufen" "ich möchte nicht, dass der jugendbeauftragter parteipolitischen zwecken dient" "auch das verhalten des jugendbeauftragen in dieser diskussion spricht eine eigene sprache"

abstimmung: 23 gegen die abschaffung, 17 dafür. jugendbeauftragter bleibt!

korrektur: 22 gegen abschaffung (spö, grüne), 18 dafür (övp, fpö, liste sluka-grabner, liste haberler)


Ich möchte mich bei allen bedanken, die diesen Protest möglich gemacht haben.  Jeder der zur Demo gekommen ist, jeder der unterschrieben hat, jeder der den Ticker mitgelesen hat, kommentiert und geliked hat, jeder der mit seinen Freunden über dieses Thema diskutiert hat - Danke dafür! Wiener Neustadt gestern ein wunderbares Zeichen gesetzt.
Und damits noch was zum Lachen gibt:


Dienstag, 25. Juni 2013

Jugendarbeit? Jugendarbeit!

Der eine oder die andere hat es sicherlich schon mitbekommen: Im Moment geistert wieder mal die Idee durch einige politische Gruppierungen in Wiener Neustadt, den Jugendbeauftragten & sein Team von megafon abzuschaffen. Als Argument wird dabei immer wieder ins Treffen geführt, dass die Veranstaltungen und Initiativen von megafon zu wenig Personen erreichen, und ohnehin nur "Randgruppen" erreichen. All jene, die das behaupten, mögen sich bitte den Tätigkeitsbericht von megafon ansehen. (weil der dann doch etwas länger ist, verlinke ich ihn hier und stelle ihn erst am Ende des Artikels online).

Eine derjenigen, die das behauptet und immer wieder mit Nachdruck die Abschaffung des Jugendbeauftragten fordert, ist Annegret Zwickl, Jugendgemeinderätin der ÖVP und Chefin der jungen Volkspartei in Wiener Neustadt. Als solche hat sie immer wieder Veranstaltungen durchgeführt, bei denen die Gäste in Massen gekommen sind:


Wann genau diese Streetpartys stattfanden, lässt sich mangels Datum nicht feststellen, eingrenzen lässt sich der Zeitraum trotzdem, es muss spätestens Sommer 2011 gewesen sein. Zu diesem Zeitpunkt endet nämlich der Veranstaltungskalender auf der Homepage der JVP. (Nachtrag: die Streetpartys fanden 2009 statt, siehe hier.)

Der Versuch, ein jugendpolitisches Konzept auf der Homepage zu finden, musste leider mangels Erfolgsaussichten eingestellt werden. Dafür findet sich ein Gästebuch:


Immerhin, satte drei Einträge - der Letzte aus 2009.

Eine Aktion konnte ich dann doch noch finden, sie nennt sich "Ich bin auf 100!". Um was es genau gegangen ist, lässt sich nicht mehr herausfinden, die dazugehörige Webseite www.ichbinauf100.at ist nicht mehr verfügbar. Dafür gibts noch ein Foto, das Vizebürgermeister Stocker beim Verteilen von Pickerln zeigt. Das nenn ich knallharte Jugendarbeit!



Was also hat die JVP in den letzten 2 Jahren gemacht? Gar nichts. Das ist trotz der ohnehin schon schmalen Leistungsbilanz der Jahre davor ein Abstieg. Warum Zwickl Jugendgemeinderätin ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Fraglich auch, ob sie sich in Zukunft Randgruppengemeinderätin nennt, bezeichnete sie doch Jugendliche aus Wiener Neustadt als solche.

Also weitergeschaut, ob nicht eine Facebook-Seite existiert - wegen jugendgerechter Kommunikation und so. Fehlanzeige. Nur eine Seite "JVP Bezirk Wiener Neustadt & Friends" lässt sich finden - die ist im Gegensatz zur Homepage der JVP fast brandaktuell: der letzte Eintrag hier ist mit Februar 2013 datiert. Interessant auch, dass dort die Ernennung der Stadt Wiener Neustadt zur Jugendpartnergemeinde totgeschwiegen wird.

(Auch Wiener Neustadt wurde vom schwarzen Landesrat Wilfing als Jugendpartnergemeinde ausgezeichnet, vor allem wegen der hervorragenden Jugendarbeit - das verschweigt die JVP aber lieber)

Und die Obfrau dieses Vereins behauptet nun also, dass mit dem Geld, dass der Jugendbeauftragte zur Verfügung hat, um jugendkulturelle Initiativen, Veranstaltungen und Vereine zu fördern, besser jugendkulturelle Initiativen, Veranstaltungen und Vereine gefördert werden sollen (ihr Parteivorsitzender Stocker nennt das Budgetumschichtung, muss man nicht verstehen, diese ÖVP-Logik). welche Vereine und Initiativen sie meint, bleibt natürlich offen. Die JVP kanns jedenfalls mangels Aktivitäten nicht sein.

Im Vergleich dazu die Aktivitäten von megafon in den letzten 4 Jahren:

Sonntag, 23. Juni 2013

Die wissentlichen Falschaussagen der Annegret Z.


Folgende Presseaussendung habe ich gerade erhalten:


Antrag zur Abschaffung des Jugendbeauftragten in Wr. NeustadtVP, FP, Soziales Wr. Neustadt & Haberler setzen gemeinsames Zeichen für Jugend und FinanzenMit einem gemeinsamen Resolutionsantrag der Volkspartei, der FPÖ, der Liste Soziales Wiener Neustadt und der Liste Haberler für die Abschaffung des erfolglosen Jugendbeauftragten, wird ein klares Zeichen sowohl für die Jugend als auch für die Finanzen der Stadt gesetzt. Mit dieser Maßnahme reagieren die genannten Parteien und Listen auf eine Empfehlung des KDZ, das eine Streichung des Dienstpostens in Anbetracht der finanziellen Situation der Stadt nahegelegt hatte.
„Wir wollen nicht ein Projekt unterstützen, das völlig im Widerspruch zur dramatischen Finanzsituation der Stadt steht, wenn es ohnedies nur Randgruppen anspricht. Viel sinnvoller wäre das Geld in den Vereinen und in Aktivitäten investiert, die durch Eigeninitiativen von Jugendlichen zustande kommen. Hier ist auch Stadtrat Karas gefragt, der sich endlich seiner Verantwortung stellen müsste und aktiv junge Menschen und deren Projekte in Wiener Neustadt unterstützen sollte“, erklärt dazu GR Annegret Zwickl.
Die von Gauschs Parteifreunden gestartete Onlinepetition zum Erhalt seines Postens zeigt einmal mehr, wie verzweifelt die Müller-Karas-SPÖ an ihrem gescheiterten Prestigeprojekt festhält, mussten sie doch ihre Genossen aus ganz Europa mobilisieren, um an Unterschriften für Gausch zu kommen. Von den Niederlanden über Deutschland, Slowenien, bis hin nach Rumänien wurden Unterschreiber rekrutiert. „Das tut mir persönlich sehr leid für Herrn Gausch, dass er die Hilfe der Genossen in ganz Europa braucht, um ein paar Unterschriften zu ergattern“ , so Zwickl, die sich noch gut daran erinnern kann, wie etwa im Rahmen der Volksbadschließung völlig problemlos ca. 800 Unterschriften für den Erhalt in Wiener Neustadt und der näheren Umgebung gesammelt wurden.
Tatsache ist, dass megafon nichts anderes als eine SP-Vorfeldorganisation ist, die sogar Wahlempfehlungen in Schulen abgibt. „Dass sich die Jungen davon abwenden, ist nur allzu verständlich“, so Zwickl abschließend.


Diese Presseaussendung ist, sanft formuliert, eine Sammelsurium von Lügen und wissentlich falschen Unterstellungen, von der sogar Baron Münchhausen noch etwas  dazulernen könnte. Aber der Reihe nach:

Die Stelle des Jugendbeauftragten abzusetzen würde das (zugegebenermaßen sehr angespannte) Budget der Stadt nur minimal entlasten und keinerlei nennenswerte Auswirkung auf die Finanzsituation der Stadt haben. Hingegen zeigt die Stadt eindeutig, das ihr Jugendarbeit etwas wert ist. Dass die ÖVP-Jugendgemeinderätin (!!!) diese Stelle einsparen möchte, zeigt, das sie entweder von Jugendarbeit keine Ahnung hat oder sie (und mit ihr die gesamte Volkspartei) kein Interesse an jungen Menschen hat.

Außerdem steht sie mit ihrer Meinung ziemlich alleine da. Der (schwarzen) Landesrat Karl Wilfing hat Wiener Neustadt zu Beginn des Jahres als Jugendpartnergemeinde ausgezeichnet. Warum man diese Auszeichnung erhält, kann man auf der Homepage des Landes Niederösterreich nachlesen:
Die Zertifizierung als „NÖ Jugend-Partnergemeinde" ist für die Gemeinde eine Bestätigung, dass intensive Jugendarbeit mit hoher Qualität geleistet wird. Der Bogen der Kriterien für eine Jugend-Partnergemeinde spannt sich dabei von der kommunalen Mitbestimmung über das Raumangebot für Die Jugend bis hin zu Zukunftsinitiativen und Öffentlichkeitsarbeit.



Zwickl möchte das ersparte Geld lieber in Vereine und Initiativen stecken. Welche genau? Diese Antwort bleibt sie schuldig - und das schon seit Jahren. Auf der Suche nach dem jugendpolitischen Konzept habe ich mir die Homepage der JVP, deren Obfrau Zwickl ist, angesehen. Dort lässt sich nicht viel finden. Vielleicht aber auf der Homepage der ÖVP? Fehlanzeige.

Also hab ich weiterrecherchiert, und tatsächlich wurde mir dann das streng geheime jugendpolitische Konzept der ÖVP für Wiener Neustadt zugespielt:



Zwickl wirft mir auch vor, dass auf der von mir gestarteten Petition Menschen aus Deutschland und Europa unterschrieben haben. Offensichtlich kann oder will Zwickl sich die Petition nicht genauer ansehen. Der große Block Deutschland entsteht dadurch, dass als Land bei der Unterschrift automatisch Deutschland voreingestellt ist. Viele haben das nicht in Österreich umgebessert. Hätte Zwickl sich auch die Orte angesehen, aus denen die UnterstützerInnen kommen, dann wäre ihr das vielleicht aufgefallen. Die Unterschrift aus Rumänien lässt sich auch recht einfach erklären - der Herr hat einfach das Land mit der Staatsbürgerschaft verwechselt. Die Postleitzahl 2700 dahinter dürfte Zwickl entgangen sein.

Insgesamt sind von 538 Unterschriften daher nur 4 klar einer Person aus dem Ausland zuzuordnen!

Um einem weiteren möglichen Kritikpunkt vorzugreifen: Ja, es haben viele WienerInnen unterschrieben. Die Erklärung dafür ist ganz einfach: Viele Menschen, deren Lebensmittelpunkt Wiener Neustadt ist, haben ihren Wohnsitz unter der Woche aufgrund von Studien oder Arbeit in Wien.

Christoph Gausch als SPÖ-Parteisoldaten hinzustellen, ist die allergrößte Falschbehauptung in dieser Aussendung. Der Jugendbeauftragte ist eine Funktion der Stadt, und als solcher überparteilich. Das zeigt sich zB beim Projekt Youth Flash, wo PolitikerInnen jeder Farbe teilnehmen - mit einer Ausnahme: Annegret Zwickl. Die Jugendpolitikerin der ÖVP nahm bisher an keinem einzigen Youth Flash teil. Dass Gausch Wahlempfehlungen in Schulen abgibt, ist eine haltlose Unterstellung, die Zwickl erst mal beweisen muss. So wie bei Stockers angebliche Einladung zum Jugendforum hat hier wohl die blühende Fantasie zugeschlagen.

Ich finde es traurig (aber keinesfalls unterwartet), dass die ÖVP auf diese bewussten Lügen setzt. Sie hat sich, was Jugendarbeit in Wiener Neustadt betrifft, ganz klar an eine alte Österreichische Weisheit orientiert:

Hamma noch nie gehabt! Brauch ma ned! Fang ma uns erst gar ned damit an!

Und aus diesen und vielen mehr Gründen gilt es, Christoph Gausch und sein Team von Megafon zu unterstützen. Am Mittwoch ab 12 Uhr kann man das beim alten Rathaus auch gerne lautstark machen:




(Dieser Artikel geht auch an Medien wie NÖN, Heute, Kurier, Österreich, Krone, ...)


Sonntag, 9. Juni 2013

Übers Integrieren

1.
Die Integration ist die Umkehrung der Differentiation und dient zur Berechnung von Flächen. Die Integralrechnung ist neben der Differentialrechnung der wichtigste Zweig der mathematischen Disziplin der Analysis. Sie ist aus dem Problem der Flächen- und Volumenberechnung entstanden. Das unbestimmte Integral einer Funktion ordnet dieser eine Menge von Funktionen zu, deren Elemente Stammfunktionen genannt werden. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass ihre ersten Ableitungen mit der Funktion, die integriert wurde, übereinstimmen. Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung besagt, dass (bestimmte) Integrale aus Stammfunktionen berechnet werden können.


Im Gegensatz zur Differentiation existiert für die Integration auch elementarer Funktionen kein einfacher und kein alle Fälle abdeckenderAlgorithmus.

Anschauliche Darstellung des Integrals als Flächeninhalt S unter einer Kurve der Funktion f im Integrationsbereich von a bisb.



Es gibt eine Reihe von Verfahren, mit denen bestimmte und uneigentliche Integrale exakt in symbolischer Form berechnet werden können.

Falls zu eine Stammfunktion bekannt ist, lässt sich das bestimmte Integral
 \int_a^b f(x)\,\mathrm dx = F(b)-F(a)

durch den Hauptsatz berechnen. Oft ist es möglich, unter Ausnutzung der speziellen Form des Integranden die Stammfunktion zu bestimmen.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, bei einem bekannten Integral zu beginnen und dieses durch Integrationstechniken solange umzuformen, bis das gewünschte Integral entsteht. Beispiel:

Um zu bestimmen, integrieren wir das folgende ähnliche Integral partiell:
\begin{align}
\arctan x &= \int 1\cdot\frac{1}{1+x^2}\,\mathrm dx\\
  &= x\cdot\frac{1}{1+x^2} + \int x\cdot\frac{2x}{(1+x^2)^2}\,\mathrm dx \\
  &= \frac{x}{1+x^2} + \int\left(\frac{2x^2}{(1+x^2)^2}+\frac{2}{(1+x^2)^2}\right)\,\mathrm dx - \int\frac{2}{(1+x^2)^2}\,\mathrm dx \\
  &= \frac{x}{1+x^2} + 2\int\frac{1+x^2}{(1+x^2)^2}\,\mathrm dx - 2\int\frac{1}{(1+x^2)^2}\,\mathrm dx \\
  &= \frac{x}{1+x^2} + 2\arctan x - 2\int\frac{\mathrm dx}{(1+x^2)^2}.
\end{align}
Durch Umstellen folgt
\int\frac{\mathrm dx}{(1+x^2)^2} = \frac12\left(\frac{x}{1+x^2} + \arctan x\right). *

2.
Heute haben sich 25 afghanische Asylwerber aus Grimmenstein** um sieben Uhr morgens in den Zug gesetzt, und sind nach Hainburg gefahren. Dort haben sie gemeinsam mit anderen Freiwilligen Anrainern geholfen, ihre von der Flutkatastrophe verdreckten und teils zerstörten Häuser wieder sauber zu bekommen, und haben dabei geschuftet wie die sprichwörtlichen "Viecher".

Organisiert wurde der Hilfseinsatz, an dem die Afghanen teilnahmen, vom Team Österreich.

Auf die Frage, warum sie das machen, antwortete einer der Männer lakonisch: "Es ist unsere Pflicht zu helfen, wenn es anderen Menschen schlechter geht als uns."

Damit sollte zu diesem Thema alles gesagt sein.





* aus Wikipedia - "Integralrechnung"
** in meinem Tweet vom Nachmittag hab ich geschrieben, dass die Männer aus Traiskirchen kommen. Der Rot-Kreuz-Helfer, der mir diese Auskunft gab, benutzte "Traiskirchen" als Synonym für Asylwerber im allgemeinen. Die Strecke zwischen Grimmenstein und Hainburg beträgt mit dem Auto 122 Kilometer, mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist man in etwa drei Stunden unterwegs.





Freitag, 17. Mai 2013

Bulgarian Elections – ein Resume


Bulgarien ist ein Land voller Gegensätze. Sofia ist die grünste europäische Hauptstadt die ich kenne, keine einzige Strasse ohne Bäume oder Sträucher. Am Wochenende treffen sich die Studenten im Stadtzentrum um gemeinsam zu trinken, zu diskutieren & zu feiern.

Die Versorgung mit offenen WLAN-Netzen ist unglaublich. Jede kleine Dorftankstelle beitet dieses Service. In den größeren Städten gibt es wenige Plätze, an denen nicht zumindestens eine schlechte freie Internetverbindung besteht. Auch in Überlandbussen war twittern kein Problem.

Gleichzeitig liegt der durchschnittliche Monatslohn bis ca. 320$, nahezu jede fünfte Familie lebt an der Armutsgrenze, und immer mehr junge Menschen verlassen das Land weil sie in Bulgarien keine Perspektive mehr für sich sehen.

Diese Gegensätze ließen sich auch bei der Wahl beobachten. Vorneweg: Massiv organisierten Wahlbetrug konnte ich keinen beobachten. Aber viele „Kleinigkeiten“, die sich summieren.

So waren mehrere Wahlurnen schlecht versiegelt,  Musterstimmzettel vorausgefüllt, Wählerlisten schlecht geführt und nach undurchschaubaren Kriterien Personen hinzugefügt, Wahlkarten gar nicht oder falsch ausgestellt, ...

Das größte Problem war meiner Meinung nach aber die fehlende Organisation.

Die Auszählungen waren langwierig, oft wussten die lokalen Wahlkommissionen gar nicht, wann Stimmen gültig sind und wann nicht. Meine Anfragen nach einer kurzen Erklärung, wie denn sie Auszählung von Statten gehen werden, blieben – von unfreundlichen Tönen begleitet – unbeantwortet. Mehrere meiner Hinweise, dass Stimmen gleichwertig ungültig gewertet werden müssen, wenn zb das Kreuz nicht korrekt gemacht wurde, blieben unbeachtet.

Auch das Ausfüllen der Wahlprotokolle erwies sich als nicht so einfach, vor allem wenn man keine Ahnung hat, wie das auszufüllen ist. Generell schien es kein Problem, Wahlprotokolle mit Bleistift zu schreiben und bei Bedarf zu adaptieren.



Für knapp 480 Wahlkommissionen standen ganze 3 (!) Personen zur Verfügung, um Wahlzettel, Protokolle und dergleichen zu übernehmen. Dass die Säcke mit den Stimmzetteln unversiegelt mit Bussen aus allen Teilen der Region transportiert wurden, machte das Chaos perfekt. Teilweise mussten vor Ort Säcke geöffnet und teilweise neu gezählt werden - weil Protokolle falsch ausgefüllt worden waren, oder weil Unterschriften fehlten.

Und so zog sich die Auszählung dahin. Montag um 16 Uhr waren immer noch nur 60% aller Stimmen ausgezählt. Ein offizielles Endergebnis lag überhaupt erst Mittwoch gegen zwölf Uhr vor. 

Das Endergebnis

Und genau diese felende Organisation macht Wahlbetrug möglich. Immer wieder wurden Gerüchte des Stimmenkaufes laut – hauptsächlich betroffen daran waren Roma. Um daszu verstehen, muss man sich die Situation der Roma in Bulgarien ansehen. In dem sie ihre Stimme verkaufen, verdienen sie sich also ein bisschen Geld. Der Wahlbetrug der Roma ist also nicht ideologisch motiviert, sondern hauptsächlich finanziellen Nöten geschuldet. Nicht zuletzt werden die Roma in Bulgarien abwertend als „Gipsys“ bezeichnet.

Die Wahlen in Bulgarien haben einen schalen Nachgeschmack. Ja, es gab Wahlbetrug. Der fiel aber, und das ist eine subjektive Meinung der Sachen, die ich beobachtet habe – geringer aus als ich erwartet hab. Naturgemäß wird kein befragter Wähler zugeben, dass er seine Stimme verkauft hat. Jeder befrage Wahlleiter gab auf die Frage "Haben sie heute in Ihrem Wahllokal irgendwelche Probleme bei der Durchführung der Wahl gehabt?" reflexartig mit "Nein!". Erst nach mehrfachen Nachfragen wurde dann von Personen, die nicht (oder auch doppelt) auf der Wahlliste standen berichtet.

Interessiert waren aber auch die Medien, so wurde ich um eine Einschätzung des Wahlverlaufes gebeten. Hier ist das ganze Interview zu sehen. 


  • 14 acts of vote-buying,
  • 56 acts of voter intimidation,
  • 37 acts of electioneering near polling stations
  • and a further 132 reports of severe malfunctioning of the electoral administration.
Eine volle Liste aller Verfehlungen, die TI gesammelt hat, aufgelistet nach Art und Gebiet, gibt es hier.


Sobald meine Protokolle & Notizen aus den einzelnen Wahllokalen ausgewertet sind, können die hier natürlich auch nachgelesen werden.

Sonntag, 12. Mai 2013

Bulgarian Elections - First Results


Die Daten stammen von der Sora-Parallelzählung und sind hier abrufbar.

Ich bin mittlerweile wieder im Hotel, die Auszählung ist etwas strukturierter geworden, trotzdem wird es wohl noch eine Zeit dauern, bis ein offizielles Endergebnis vorliegt.

Erste Reaktionen und weitere Infos bieten unter anderem Reuters, Sofia Globe oder Novinite.