Freitag, 26. Juli 2013

Rettungsdienst & Zivilgesellschaft

Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Roten Kreuzes, schreibt heute in der Presse in einem Gastkommentar:
Warum sind Banken systemrelevanter als beispielsweise zivilgesellschaftliche Organisationen? Was ist mit den negativen Folgen für andere Gesellschaftsteilnehmer, wenn sie – mangels geeigneter Rahmenbedingungen und Förderungen – scheitern?
und weiters
Nehmen wir, nur als Gedankenexperiment, einmal an, das zivilgesellschaftliche System scheiterte. Da es aber nicht als systemrelevant gilt, käme es zu keinem Bail-out: Die Rettung käme nicht mehr, dasselbe gälte für die Feuerwehr, für Essen auf Rädern, Heimhilfe und Besuchsdienste. Niemand organisierte mehr Blutspendeaktionen. Die Versorgung der Spitäler mit Blutkonserven rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr bräche zusammen.
Noble Thesen, die Kerschbaumer da verbreitet. Zivilgesellschaft (für die es keine eindeutige Definition gibt) soll systemrelevant werden. Das ist, ohne Frage, eine durchaus interessantes Anliegen. Allerdings lässt sich das nicht eins zu eins auf den Rettungsdienst umlegen.

Ob es Kerschbaumer recht wäre, dass sich Menschen, die ein paar Stunden Ausbildung haben, am Wochenende oder in der Nacht als Bankvorstände betätigen würden und sein Konto managen? Oder noch krasser: Käme jemand auf die Idee, sich in seiner Freizeit eine Uniform mit Waffe anzuziehen und Polizist zu sein (die Spinner der Bürgerwehren jetzt mal ausgenommen).

Beim Rettungsdienst passiert aber genau das. Nahezu jedeR kann mitmachen - 160 Stunden Ausbildung, und schon gehts als Sanitäter zu jeder Art von Notfällen - massive Polytraumen und Reanimationen miteingeschlossen - wo man ohne Erfahrung, und fundierte Ausbildung eigenverantwortlich handeln muss - auch wenn das Gesetz das eigentlich gar nicht so vorsieht. (Wie das Rote Kreuz sich Rettungsdienstgesetzt bastelt und sie dann trotzdem nicht einhält, habe ich bereits hier beschrieben).

Das eigentliche Problem ist aber die vehemente Resistenz gegen neue Erkenntnisse der Notfallmedizin, die das Rote Kreuz nicht umsetzt. Bereits jetzt ist Österreich eines der rückständigsten Länder, was Rettungsdienst betrifft - man möge mal einen Blick in die Slowakei oder nach Tschechien werfen.

Ein aktuelles Beispiel:
Dass der Larynxtubus in seiner Anwendung unkompliziert ist, zeigen Studien. Dort kam es bei 97% aller Fällen zu einer komplikationslosen Intubation. Die Beutel-Maske-Beatmung, Standard beim Roten Kreuz, zeigt hingegen große Probleme: Die Handhabung des Beutels sowie die korrekte Durchführung der Beatmung ist selbst für geübte nicht immer möglich, geschweige denn für Sanitäter, die keinerlei Erfahrung haben.

Und was macht das Rote Kreuz? In Niederösterreich darf der Larynxtubus heute immer noch nicht verwendet werden - und das trotz Bescheid des Gesundheitsministeriums, dass der Larynxtubus der Beutel-Maske-Beatmung gleichzusetzen ist. Aber was erwartet man sich von einem Rettungdienst, der erst 2007 (!) die Blutzuckermessung für Sanitäter erlaubt hat?

Warum? Ganz einfach: Es ist schwer, freiwilligen Sanitätern Schulungen aufzuzwingen. Bereits jetzt ist die 16-stündige Fortbildungspflicht in 24 Monaten für einige zu viel Aufwand. Die Mindestdienstverpflichtung von 2 Diensten/Monat (ebenfalls rund 16 Stunden) rundet das Sittenbild ab. Geringe Ausbildung, geringe Erfahrung, nahezu keine Fortbildung. Und von diesen Sanitätern soll man erwarten, dass sie Larynxtuben setzen? 

Professioneller Rettungsdienst braucht professionelles Personal, kein freiwilliges, zivilgesellschaftliches Engagement. Was Kerschbaumer eigentlich will, ist mehr Geld für den Rettungsdienst - in der Steiermark ist dieser Streit unlängst eskaliert. Diese berechtigte Forderung aber mit einem Zivilgesellschaftlichen Engagement zu argumentieren, das den Rettungsdienst in Österreich auf Jahrzehnte hinaus gelähmt hat und es auch weiterhin tun wird, ist eine Chupze sondergleiche.

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